Johannes Willms: Was kann uns Napoleon 200 Jahre nach seinem Tod noch bedeuten?

Shownotes

Der französische Schriftsteller, Politiker und Diplomat François-René de Chateaubriand (1768-1848) bemerkte in seinen Mémoires d’outre tombe über Napoleon: „Nach dem Despotismus seiner Person werden wir noch den Despotismus seiner Erinnerung erleiden müssen. Dieser Despotismus ist noch viel dominierender. Auch wenn wir gegen Napoleon kämpften, solange er auf dem Thron saß, so gibt es eine universelle Zustimmung zu den Eisen, in die er uns als Toter geschlagen hat.“

Diese Vorhersage hat sich nur zu sehr bewahrheitet, denn jede Nation hat ihr eigenes Bild von Napoleon. Das gilt auch für die Deutschen, die sich von ihm eine in unterschiedlichen politischen Farben gemalte Vorstellung machten, die endgültig von den Nazis verhunzt wurde, die eine „Wesensgleiche“ zwischen Napoleon und Hitler feststellten.

Napoleon habe, so wird gerne gesagt, der Moderne in Europa zum Durchbruch verholfen. Als Beweis dafür wird auf den Code Civil verwiesen oder auch auf die von ihm veranlasste „Flurbereinigung“ in der buntscheckigen deutschen Staatenwelt des alten Reichs. Dagegen spricht, dass Napoleon unfähig war, stabile und legitime staatliche Verhältnisse aufzubauen. Frankreich hat mit dem Erbe dieses Unvermögens bis heute seine Last.

Welche Bedeutung könnte Napoleon heute also haben? Vielleicht ist seine Geschichte so etwas wie die Ilias der Neuzeit, ein Epos von Größe und Scheitern, das immer wieder den sich wandelnden Umständen der jeweiligen Gegenwart entsprechend neu erzählt und gedeutet wird.

Dr. Johannes Willms ist Historiker und Journalist. Er referierte zum Thema "Was kann uns Napoleon 200 Jahre nach seinem Tod noch bedeuten?" am 5.5.2021 in der Katholischen Akademie in Bayern.

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